In einem Land, in dem über einhundert Millionen Menschen leben und in dem Nahrungssicherheit immer wieder zum Problem wird, ist es besonders wichtig darüber nachzudenken, ob die Konzentration von Agrar-Erträgen das Mittel der Wahl ist oder die dezentrale Produktion, die in Krisenzeiten kurze Lieferketten oder Selbstversorgung garantiert. Zwei Dozenten der Universität Jimma, Dr. Teferi Tolera und Dr. Fekadu Mitiku, präsentierten Einblicke in ihre Forschung zu diesem Spannungsfeld. Die Universität Jimma liegt in der Region Kafa, in der der Kaffee “entdeckt” und nach der er benannt wurde. Sie ist bis heute eines der weltweit wichtigsten Anbaugebiete des Arabica-Kaffees. Entsprechend spielte der Anbau dieses wichtigen Konsumproduktes eine wesentliche Rolle bei den Präsentationen des KASHA-Seminars. Wie auch bei anderen Agrarprodukten ist hier stets die Frage präsent, ob die Priorität auf höheren Erträgen oder auf ökologischer Produktion liegen soll. Die ursprünglichste Produktionsweise des Arabica-Kaffees liegt in der Bewirtschaftung ursprünglicher Wälder mit Kaffeebäumen („Wild Coffee“), die es in dieser Form weltweit nirgendwo anders mehr gibt. Die afromontanen Bergnebelwälder von Kafa sind eine unermessliche Ressource: sie binden erheblichen Mengen an Kohlenstoffdioxid und sind der Ursprung und das Zentrum der genetischen Vielfalt des Arabica-Kaffees. In den Präsentationen der beiden Universitäts-Dozenten wurde deutlich, wie notwendig es ist, bei ökologischer Bewirtschaftung höhere Gewinnspannen zu erzielen, vor allem über Zertifizierungen. Aufgrund der Konkurrenz durch den Anbau der amphetaminhaltigen Schwachdroge Khat, die am Horn von Afrika und in Ostafrika ein Millionengeschäft ist, stehen sowohl der traditionelle Kaffee-Anbau als auch die Kaffee-Plantagenwirtschaft in Äthiopien wirtschaftlich unter Druck. Die Exkursion zu einer von der Universität betriebenen Kaffee-Farm bot der Gruppe dann eine konkrete Anschauung der verschiedenen Anbauformen von Kaffee. Der traditionelle Anbau in Kaffee-Wäldern konnte ebenso betrachtet werden wie die von großen Bäumen geschützte Plantagenwirtschaft (Agroforestry).
Eine besondere Verbindung zu Jimma hat der KAAD auch dadurch, dass äthiopische Stipendiatinnen und Stipendiaten häufig aus dem Apostolischen Vikariat Jimma-Bonga stammen, wo es eine sehr lebendige katholische Gemeinde gibt. Teile des Seminars fanden folglich in den Gebäuden der Kirche statt. Der Leiter des KAAD-Afrikareferats, Dr. Marko Kuhn, war beim Seminar dabei und traf dort auch die aktuellen Stipendiatinnen und Stipendiaten, die in Äthiopien für Masterstudien gefördert werden. Ebenso traf er, gemeinsam mit den Teilnehmenden des Seminars, den Apostolischen Vikar von Jimma-Bonga, Bischof Markos Gebremedhin, zum Austausch.
Direkt nach dem Seminar reiste Marko Kuhn nach Nord-Äthiopien weiter, wo in der Provinz Tigray bis vor kurzem ein schrecklicher Krieg mit vielen zivilen Opfern herrschte. Gemeinsam mit zwei Leitern von KASHA stattete er dem Bistum Adigrat einen Solidaritäts-Besuch ab, da von dort besonders viele KAAD-Stipendiatinnen und Stipendiaten stammen. Der Besuch diente dazu, mehr über die Verhältnisse vor Ort zu erfahren und die Strukturen der katholischen Kirche und der größtenteils zerstörten Universität von Adigrat zu erkunden. Der Gastgeber war Bischof Tesfaselassie Medhin, der dem KAAD seit vielen Jahren stark verbunden ist.