Auf den Spuren von Heiligen und Rebellen, Genies und Verbrechern - Geistliche Studienreise nach Thüringen

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Deutschland ist sowohl in seiner Geschichte als auch in der Gegenwart von vielen Gegensätzen geprägt. Um diese zu erkunden, reisten 18 unserer Geförderten gemeinsam mit unseren geistlichen Beiräten P. Prof. Dr. Thomas Eggensperger OP und P. Prof. Dr. Ulrich Engel OP vom 07. bis zum 11. August 2023 nach Thüringen.

 

Ganz zentral am ehemaligen Handelsplatz Erfurter „Anger“ im Bildungshaus St. Ursula untergekommen, unternahm die Gruppe Exkursionen nach Eisenach und Weimar. Zudem stand eine Erkundung wichtiger Orte in der Landeshauptstadt auf dem Programm. Dabei ging es darum, die verschiedenen Stätten nicht nur als Touristen zu erkunden, sondern sich von ihnen auch spirituell-religiös ergreifen zu lassen. Ergänzt wurden die Besuche vor Ort durch Erfahrungsreflexionen und einen gemeinsamen Gottesdienst der Gruppe.

In Eisenach begegnete den Teilnehmenden die Differenz zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche, indem sie sich anhand einer Führung durch die Wartburg und das dortige Museum auf das Leben der heiligen Elisabeth und das des Reformators Martin Luther („Junker Jörg“) fokussierten. Im „Bachhaus“ konnte die Gruppe dann mehr über Johann Sebastian Bach erfahren, der durch sein musikalisches Werk als Brückenbauer zwischen den Konfessionen gilt. Dieser Besuch wurde abgerundet durch ein kleines Konzert auf Originalinstrumenten aus seiner Zeit.  

In  der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral (KAMP) in Erfurt traf die Gruppe Dr. Tobias Kläden zum Gespräch, welches sich schwerpunktmäßig um die aus einer internationalen Perspektive manchmal doch schwer nachzuvollziehende kirchliche Situation im sehr weit säkularisierten Osten Deutschlands drehte. Nachmittags setzten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der Differenz zwischen der in der Stadt der ungezählten Kirchen sehr einflussreichen christlichen Tradition und der religiösen „Un-Musikalität“ vieler Zeitgenossen auseinander. Hier könnte der lange Jahre im Erfurter Dominikanerkloster beheimatete Theologe Meister Eckhart mit seiner Mystik ein Brückenbauer zwischen Kirchen- und Weltfrommen sein, lesen seine Schriften doch heute Christen wie Agnostiker gleichermaßen.

Die Stipendiatinnen und Stipendiaten konnten außerdem das Wohnhaus des deutschen Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe besuchen, dessen Bündnis mit Friedrich von Schiller zum nationalen Mythos wurde, der im Doppelstandbild der beiden Dichterfürsten auf dem Vorplatz des Nationaltheaters verkörpert wird.

Danach besuchte die Gruppe das nur wenige Kilometer entfernte Konzentrationslager Buchenwald, in dem zwischen Juli 1937 und April 1945 56.000 Menschen den Tod fanden. Grausamer könnte die Differenz zwischen der Stadt der „Dichter und Denker“ und diesem Ort des „deutschen Ungeistes“ nicht sein.

Geschichte – das hat unsere Studienreise mehr als deutlich gemacht – ist höchst widersprüchlich und ambivalent. Der genaue Blick auf die historischen Akteure hat uns deutlich gemacht, wie sehr es auf die Verantwortung und den Mut Einzelner ankommt, wie stark ihr Engagement, ihre Spiritualität und ihre Kreativität das Gesamte prägen können. Das galt damals und gilt auch heute.