Auslandsseminar in Bogor, Indonesien, „Ibu Kota Nusantara: Die zukünftig modernste und grünste Hauptstadt der Welt?“

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In Zusammenarbeit mit unseren KAAD-Alumni in Indonesien und der KMKI-Alumni-Organisation KONTAK wurde vom 20.10. bis zum 22.10.2023 in Bogor, Indonesien, ein Seminar veranstaltet, das sich mit den Plänen zur neuen Hauptstadt Indonesiens, Ibu Kota Nusantara, auseinandersetzte.

Bereits 2024 soll der neue Regierungs- und Verwaltungssitz Ibu Kota Nusantara  an seinem neuen Ort die Arbeit aufnehmen. Wenn sich die Unabhängigkeit Indonesien im Jahr 2045 zum 100. Mal jährt, soll die Stadt komplett fertiggestellt sein. Das Ziel ist, die Ibu Kota Nusantara zur grünsten und modernsten Hauptstadt der Welt zu machen und einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Landesteilen auch außerhalb von Java zu gewährleisten. Durch die hochwertigen Referenten und die herausragende Diskussionsbereitschaft der in der Spitze einhundert Teilnehmenden wurde das Seminar zu einem großen Erfolg.

Feierlich eröffnet wurde das Seminar zum Thema „IKN: the Most Modern and Greenest Capital City to be? - A Dialogue and Thoughts on the Direction of Indonesia’s National Development After 2024" von der KONTAK-VorsitzendenCeline Widjojo und unserer Generalsekretärin, Dr. Nora Kalbarczyk. Bevor die Teilnehmenden ihr Wiedersehen feierten und Ideen zur neuen Hauptstadt beim gemeinsamen Grillen austauschen konnten, wurden sie von Dr. Yuwono Imanto im Rahmen einer virtuellen Tour durch die neue Hauptstadt auf den derzeitigen Stand der Planungen und Bauarbeiten vor Ort gebracht. Eine nachfolgende Diskussion brachte bereits erste kritische Fragen zu den Auswirkungen der Verlegung der Hauptstadt hervor.

Am zweiten Seminartag stieg das Plenum in die Erarbeitung des Themas ein. Hierzu hielt unser Referatsleiter Asien, Dr. Anselm Feldmann, einen Vortrag zu den deutschen Erfahrungen mit dem Thema und ging in einem historischen Kontext auf den deutschen Hauptstadtwechsel von Bonn nach Berlin und die Gemeinsamkeiten und Unterschieden bei dem Wechsel des Regierungssitzes von Jakarta nach Nusantara ein. In der Frage- und Antwortrunde konnten zudem einige Problematiken, die sich durch die Verlegung der Hauptstadt Indonesiens ergeben, sowie Lösungen, die in Deutschland dazu gefunden wurden, herausgearbeitet werden. Insbesondere die Auswirkungen auf die alten Regierungssitze Bonn beziehungsweise Jakarta wurden hierbei thematisiert. Im Anschluss referierte Jeremy Adinugroho, Experte für Stadtplanung und Entwicklung sowie Berater bei PT Bina Karya, einem indonesischem Staatsunternehmen, über die städteplanerischen Ideen, Nusantara zur grünen ,Smart City` zu machen. Auch hier wurde im Anschluss sehr kritisch hinterfragt, inwieweit Nusantara diesen Ansprüchen genügen kann.

Nachdem nun alle Teilnehmenden ihr Verständnis über die zugrundeliegenden Ideen der Verlegung der Hauptstadt vertieft hatten, folgte ein Vortrag von Dr. Yanuar Nugroho. Er ist ehemaliger stellvertretender Stabschef im Beratergremium des indonesischen Präsidenten Joko Widodo und Visiting Senior Fellow am renommierten ISEAS-Yusof Ishak Institute an der Nationalen Universität von Singapur. Er legte sehr deutlich die Schwierigkeiten bei der Planung und Umsetzung der neuen Hauptstadt dar. So sei seit der Entscheidung zum Umzug und der Umsetzung zu wenig Zeit in Planung, Beratung und Partizipation von Stakeholdern gesteckt worden. Einige Probleme Jakartas, die mit der Verlegung der Hauptstadt beseitigt werden sollten, bestünden auch in Nusantara und insbesondere die Wasserversorgung sei problematisch. Im Anschluss wurden in einem Workshop verschiedene Aspekte der Verlegung, nämlich Ökologie, Ökonomie und Regierungshandeln, in drei Gruppen diskutiert und schließlich dem Plenum präsentiert. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Hauptstadtprojekt fand in der Diskussion am letzten Seminartag mit Joanes Joko, welcher zurzeit im Beratergremium des Präsidenten Joko Widodo tätig ist, seine Fortsetzung.

Auf der einen Seite bietet die Verlegung von Hauptstadt und Regierungssitz nach Nusantara verschiedene städtebauliche Vorteile, da nicht auf die bereits bestehende Bebauung geachtet werden muss. Der Umzug ist auch aufgrund von Problemen in Jakarta bezüglich der Wasser- und Abwasserversorgung, begrenzter Möglichkeiten von weiteren Infrastrukturmaßnahmen im öffentlichen Nahverkehr oder dem Absinken der Stadt bei gleichzeitig steigendem Meeresspiegel durch die Klimaerwärmung nachvollziehbar. Andererseits bringt die Verlegung zahlreiche Probleme mit sich: Ethnische Gruppen wie die Dayak werden durch den Bau verdrängt. Die Kosten des Projektes sind sehr hoch, was schon jetzt spürbar zu Einsparungen in anderen Regionen und Bereichen führt. Weitere Verteilungskämpfe um knappe finanzielle Mittel sind zu erwarten. Während die Planungen eine grüne und nachhaltige Stadt versprechen, wird der Urwald für den Bau gerodet. Die Wasserversorgung wird – wie in Jakarta – große Probleme bereiten. Zudem sind negative Auswirkungen für Jakarta zu erwarten; beispielsweise werden Mittel für Infrastrukturprojekte voraussichtlich vor allem in der neuen Hauptstadt Nusantara eingesetzt werden. Noch ist allerdings nicht klar, ob das Projekt, das sich bereits im Bau befindet, auch zu Ende geführt werden wird: 2024 werden Präsidentschaftswahlen in Indonesien stattfinden. Nur wenn ein Kandidat der derzeitigen Regierungskoalition gewinnt, kann sicher mit einer Fortsetzung des Projektes gerechnet werden – obwohl bis zum jetzigen Zeitpunkt bereits viel Geld in die neue Stadt investiert worden ist. Der Ausgang der Wahlen ist zum jetzigen Zeitpunkt allerdings vollkommen offen.

Der KAAD nutzte die Zusammenkunft auch dazu, am Abend das neue Partnergremium zu ernennen: Nachdem Hadi Kasim, Geschäftsführer der Triputra Group, das Partnergremium nach 15 Jahren auf eigenen Wunsch verlassen hatte, konnte Dr. Ignatius Iriyanto, der bei der Adaro Bangun Negri Foundation in Indonesien arbeitet und in zahlreichen zivilgesellschaftlichen Gruppen aktiv ist,  für diese Tätigkeit gewonnen werden. Ignatius Iriyanto ist ein ausgewiesener Experte im Bereich der gesellschaftlichen Unternehmensverantwortung. Zudem verstärkt Dr. Triyanti das Partnergremium. Sie trägt die technische Projektverantwortung bei PT DyStar Colours Indonesia und leitete den Vorstand unserer Partnerorganisationen KMKI und KONTAK. Sie stellt so ein herausragendes Bindeglied zwischen dem KAAD und den Partnern in Indonesien dar. Dr. Juliana Murniati, Dekanin der Fakultät für Psychologie an der Katholischen Universität Atma Jayavon Indonesien (Atmajaya), wird dem Partnergremium weitere fünf Jahre vorsitzen. Ebenfalls für weitere fünf Jahre im Partnergremium sind Pater Simon Petrus Lily, welcher an der Philosophischen Hochschule Sekolah Tinggi Filsafat Driyarkara unterrichtet und Dr. Antonius Wibowo, der ebenfalls an der Atmajaya unterrichtet. Im Rahmen der feierlichen Ernennung und Verabschiedung sprach Anselm Feldmann Hadi Kasim großen Dank für seinen beträchtlichen Einsatz für den KAAD und das Partnergremium Indonesien aus. Nora Kalbarczyk gedachte zudem dem unerwartet und viel zu früh verstorbenen Partnergremiumsmitglied Stephanus Muliyadi. Allen ehemaligen und neuen Partnergremiumsmitgliedern sei auch hier nochmal der größte Dank für ihr Engagement ausgedrückt. Nur durch ihren Einsatz können Stipendien vergeben werden, da der Bewerbungsprozess maßgeblich auf der Entscheidung und Mitarbeit unserer Partner im jeweiligen Heimatland fußt und somit die Nachhaltigkeit der Förderung bekräftigt. Wir freuen uns auf eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem neuen Partnergremium.

Den Abschluss des Seminars bildete ein äußerst gelungener Gottesdienst unter Leitung von Pater Simon Lily. Musikalisch wurde dieser durch eine örtliche Gruppe von Anklung-Spielerinnen (Anklung: ein indonesisches Instrument) begleitet. Dies gab dem äußerst gelungenen Seminar den verdienten würdigen Abschluss.