Das Promotionsstudium in Deutschland: Chancen und Herausforderungen für internationale Promovierende

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Wie erleben internationale Promovierende die Forschungslandschaft in Deutschland? Welche Strukturen tragen, welche fordern heraus und welche Beziehungen prägen wissenschaftliches Arbeiten?

Das Promotionsstudium ist für viele Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eine prägende Zeit: eine Phase intensiver Arbeit, persönlicher Reifung und häufig auch der Verunsicherung. Für internationale Promovierende stellt sich diese Zeit oft noch komplexer dar, da sie sich zusätzlich in einem neuen akademischen und kulturellen Kontext bewegen.

Um diese Erfahrungen in gemeinsamer Perspektive zu reflektieren, fand vom 13. bis zum 15. Oktober in Altenberg, Odenthal, der Workshop „Das Promotionsstudium in Deutschland: Chancen und Fallstricke“ unter der Leitung von KAAD-Generalsekretärin Dr. Nora Kalbarczyk statt. Er widmete sich den Strukturen, Erwartungen und Beziehungsformen des deutschen Wissenschaftssystems.

Zu Beginn tauschten die Teilnehmenden ihre Erfahrungen mit und ihre Erwartungen an die Promotion in Deutschland aus. In den Gesprächen zeigte sich, dass viele Erfahrungen über Fächer und Herkunftsgrenzen hinweg vergleichbar sind und dass gemeinsames Nachdenken hilft, Strukturen und Erwartungen besser einzuordnen. Der Austausch machte zugleich deutlich, wie wichtig Räume sind, in denen solche Erfahrungen offen geteilt und kontextualisiert werden können.

Einen besonderen Schwerpunkt bildete der Vortrag von Prof. em. Dr. Stefan Fisch (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften, Speyer) zur „Geschichte und Gegenwart der Promotion in Deutschland“. In einem weiten historischen Bogen zeichnete er die Entwicklung der Universitäten als europäische Institution seit dem 12. Jahrhundert nach – von den studentischen und lehrenden Gemeinschaften in Bologna und Paris über die Ordnung der mittelalterlichen Fakultäten bis zur Entstehung der modernen Forschungsuniversität im frühen 19. Jahrhundert. Anhand der Ideen Immanuel Kants und Wilhelm von Humboldts verdeutlichte Stefan Fisch, dass die deutsche Universität bis heute auf zwei Grundpfeilern ruht: der Freiheit des Forschens und der Verantwortung des Denkens. Wissenschaft, so sein Gedanke, bleibt ein offener Prozess und verlangt von Forschenden nicht nur Eigenständigkeit, sondern auch die Haltung, wissenschaftliche Freiheit mit Verantwortung und geistiger Redlichkeit zu verbinden.

Stefan Fisch führte diese Linie bis in die Gegenwart fort: Die moderne Promotion sei in Deutschland vor allem als ein Ausdruck wissenschaftlicher Selbstständigkeit zu verstehen – getragen von der „Einsamkeit und Freiheit“ der forschenden Person. Zugleich zeige der internationale Transfer dieses Modells, etwa im US-amerikanischen Ph.D., wie weitreichend das deutsche Verständnis von Forschung als Bildungsideal wirke.

Ein weiterer Programmpunkt galt den institutionellen und persönlichen Unterstützungsangeboten während der Promotionsphase. Hier gab Nora Kalbarczyk einen Überblick der verschiedenen Phasen einer Promotion und stellte Strategien zur Vermeidung, Verminderung und Lösen der unterschiedlichen damit einhergehenden Krisenphänomene vor. In einem anschließenden Gespräch haben die Teilnehmenden über den Wissenschaftsstandort Deutschland und über die Rahmenbedingungen für internationale Studierende reflektiert.   

Neben diesen inhaltlichen Elementen bot das Seminar auch Raum für spirituelle und erfahrungsorientierte Impulse: Eine Führung durch den Altenberger Dom öffnete den Blick für die kulturelle Geschichte des Ortes, während das kontemplative Bogenschießen Konzentration, Haltung und innere Ruhe auf besondere Weise miteinander verband.

Für die Promovierenden aus Ghana, Indien, Armenien, Indonesien, Georgien, Kenia, Marokko und den Philippinen wurde das Seminar so zu einem Erfahrungsraum, in dem akademische Reflexion und persönliche Begegnung zusammenfanden. Es verdeutlichte, dass Forschung nicht nur Erkenntnisarbeit ist, sondern auch Beziehung – zwischen Betreuenden und Promovierenden, zwischen Disziplinen und Kulturen.

Gruppenbild der Teilnehmenden, draußen im Laub in einer Reihe vor einem Baum.
Beitrag im Seminar, ein Teilnehmender aus Ghana hält einen Vortrag, im Hintergrund sitzt eine Promovendin aus Armenien.
Dr. Nora Kalbarczyk während ihres Vortrags, rechts neben ihr Prof. Dr. em. Stefan Fisch
Drei Teilnehmende konzentrieren sich im Seminar.
Ein reges Gespräch zwischen zwei asiatischen Teilnehmenden
Prof. Dr. em. Stefan Fisch während seines Vortrages
Drei Teilnehmende sitzen zusammen und lesen Unterlagen.
Die Teilnehmenden beim Bogenschießen
Die Teilnehmenden vor dem Altenberger Dom, kurz vor der Führung