Der Auftakt des Seminars, das von Nils Fischer, Leiter des Referates Naher und Mittlerer Osten, geführt wurde, bestand in einem Gespräch mit Weihbischof Dr. Dr. Anton Losinger über (äußere) politisch-kulturelle Gräben am Beispiel des Kriegs in der Ukraine und (innere) ethisch-anthropologische Grundsätze bei der Herstellung künstlicher Embryonen. Beides sind aktuelle Konflikte, die unter dem Gesichtspunkt des Selbstverständnisses der Forschenden als Einzelpersonen sowie als Mitglieder der Gemeinschaft debattiert wurden. Dabei wurden im Gespräch mit Anton Losinger die verschiedenen Aspekte, Dimensionen und Ebenen von Identität und Kultur festgehalten.
In einem künstlerischen Workshop mit der Graphikerin und Typographie-Designerin Verena Gerlach (Berlin) erstellten die Teilnehmenden vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Wahrnehmung der Stadt Augsburg eine jeweils individuelle Projektidee, die sie in ihren Heimatländern verwirklichen wollen würden. Die Teilnehmenden hatten sich bereits vor dem Seminar über Augsburg informiert und erkundeten mit ihrem Vorwissen und mit einer eigenen Projektidee in Kleingruppen die Stadt. Dort sammelten sie Eindrücke in Form von Fotos, Zeichnungen, Notizen und Informationsmaterialien. Nach der Rückkehr ins Tagungshaus verbildlichten sie ihre Vorhaben als Poster-Collagen; aufgrund ähnlicher Projektideen entstanden dabei nunmehr auch Gruppenprojekte. Zu den Ideen gehörten beispielweise ein Wassernutzungskonzept für eine besonders trockene Region in Kenia, besondere Kioske für Vietnam, in denen nicht nur Getränke und Snacks, sondern auch regionale Produkte verkauft werden sollen oder bayerisch-argentinisch fusionierte Stuhldesigns. Insbesondere aus den Gruppenarbeiten entwickelten sich komplexe aber realitätsnahe Projekte, wie zum Beispiel das eines jeweils regional angepassten und mit Materialen und Know-How vor Ort hergestellten Schulrucksacks.
Schließlich erarbeiteten die Teilnehmenden mit Prof. Dr. Günther Kronenbitter (Universität Augsburg) die Komplexität der Identität der Habsburger Monarchie am konkreten Beispiel von Texten aus der deutschen Literatur (Stefan Zweigs „Die Welt der Sicherheit“ aus seinen Erinnerungen „Die Welt von Gestern“ und Robert Musils „Kakanien“ aus seinem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“). In seinem Vortrag zeigte Günther Kronenbitter die Komplexität der Identität des Habsburger Reiches auf und die Ereignisse, Faktoren, Gruppen und Personen, die sie geprägt, kritisiert und umgedeutet haben. In der darauffolgenden Auseinandersetzung wurden Analogien zur Europäischen Union und auch zur Sowjetunion diskutiert; dabei rückte die Frage in den Mittelpunkt, inwieweit eine gemeinsame Identität vor dem Hintergrund der regionalen Diversität möglich ist.
Zum inhaltlichen Abschluss des Seminars besuchte die Gruppe das Staatliche Textil- und Industriemuseum Augsburg und erfuhr dort am historischen Beispiel der Stoffproduktion, wie Kulturen, Identitäten, Techniken und Wirtschaft lokal, regional und global in einem Produkt zusammenkommen.
Die Meditationen und der Gottesdienst, in dem Lieder aus allen Heimatregionen der Teilnehmenden gesungen und um Frieden und Versöhnung für alle gebeten wurde, wurden von unserem geistlichen Beirat P. Prof. Dr. Ulrich Engel OP zelebriert und von dem Teilnehmer P. Altus Jebada SVD mitgestaltet. In persönlichen Reflexionen und im gemeinsamen Gebet teilten alle die Verbundenheit in der spirituellen Gemeinschaft.
In der abschließenden Reflexion stellten die Stipendiatinnen und Stipendiaten fest, dass durch das Seminar unter ihnen eine neue kollektive Identität entstanden ist, die darin besteht, dass alle ein gemeinsames Verständnis der eigenen Wahrnehmung und der Wahrnehmung der anderen erreicht haben.