„Komplexität“ – Stipendiatinnen und Stipendiaten des KAAD gestalten die Jahrestagung des Cusanuswerks aktiv mit

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Drei Tage lang widmete sich die Jahrestagung des Cusanuswerks im niederländischen Baarlo dem Thema „Komplexität“ – mit Beiträgen aus Wissenschaft, Kirche und Gesellschaft sowie einem vielfältigen Rahmenprogramm. Zwanzig unserer Geförderten brachten dabei ihre Perspektiven aus dem Globalen Süden aktiv in die Debatten ein.

Rund 700 Stipendiatinnen und Stipendiaten diskutierten vom 13. bis zum 15. Juni 2025 mit Gästen aus Wissenschaft, Kirche, Wirtschaft, Politik, Kultur und Medien über das Thema Komplexität. Die Jahrestagung des Cusanuswerks fand in Kooperation mit dem KAAD statt.

KAAD-Präsident P. Hans Langendörfer SJ nahm am Eröffnungsabend der Jahrestagung teil. Er ging nicht nur mit den Geförderten aus dem Globalen Süden ins Gespräch, sondern auch mit der Leitung unseres „Schwesterwerks“ sowie mit Vertreterinnen und Vertretern weiterer anwesender Organisationen, Bischöfen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Unter den Teilnehmenden waren auch zwanzig Stipendiatinnen und Stipendiaten des KAAD aus allen Regionalreferaten – insgesamt aus 13 Ländern: Äthiopien, Ghana, Kenia, Simbabwe, Indonesien, Indien, Argentinien, Kolumbien, den palästinensischen Gebieten, Armenien, Russland, Ukraine und aus der Slowakei.

Begleitet wurden sie von Dr. Mirjam Rossa und Dr. Marko Kuhn aus der Geschäftsstelle des KAAD. Beide sind Alumni des Cusanuswerks („Altcusaner“). Mirjam Rossa war bis Februar dieses Jahres über zehn Jahre beim Cusanuswerk tätig und konnte die Geförderten des KAAD daher besonders gut in die Abläufe der Jahrestagung einführen.

In seiner Eröffnung verwies Prof. Dr. Georg Braungart, Leiter des Cusanuswerks, auf die wachsende Komplexität des Alltags, die je nach fachlichem, spirituellem oder persönlichem Hintergrund unterschiedlich wahrgenommen werde. Ziel der interdisziplinär ausgerichteten Tagung sei es, produktive Formen des Umgangs mit dieser Vielschichtigkeit zu entwickeln – gerade in einem Umfeld wie dem Cusanuswerk, das für Offenheit, Dialog und gelebte Vielfalt steht.

Dr. Marco Wehr, Physiker und Philosoph, beschrieb in seinem Impulsreferat die Welt als ein historisch einmaliges „verwickeltes Knäuel des Komplexen“. Er verband diese Diagnose mit konkreten Überlegungen, wie sich mit den Herausforderungen wachsender Vielschichtigkeit umgehen lässt.

Die Relevanz komplexer Wirklichkeitserfahrung gerade im Rahmen der Begabtenförderung unterstrich Dr. Thomas Scheidtweiler, Generalsekretär des Cusanuswerks. Schönheit, Lebendigkeit wie auch die Krisen der Gegenwart seien Ausdruck einer vielschichtigen Welt, die einfache Antworten nicht zulasse. Es brauche den Mut, Ambiguität auszuhalten und sich ihr geistig wie spirituell zu stellen – als Voraussetzung für verantwortliches Handeln in einer global vernetzten Gesellschaft.

Wie jedes Jahr wurde die Thematik der Tagung in verschiedenen Foren ausdifferenziert, die einzelne Aspekte beleuchteten. Diese wurden durch Vorträge von Expertinnen und Experten aus Universitäten, Forschungseinrichtungen und Organisationen bereichert, die zu diesem Zweck nach Baarlo gekommen waren.

So wurde das Thema Komplexität greifbar, etwa durch Foren zur Theorie komplexer Systeme, zu neuropsychologischen Fragestellungen, zu Kunst und Kultur als Bewältigungsform in einer vernetzten Welt oder zum Zueinander der göttlichen Personen in der christlichen Trinitätstheologie.

Die KAAD-Stipendiatin Judy Kaaria aus Kenia referierte in einem Forum über Komplexes Entscheiden sowie über Entflechtungs- und Vereinfachungsversuche in globalen Wirtschaftszyklen. Hierfür hatte sie Prof. Dr. Aoife Hanley vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel ‚mitgebracht‘. Aoife Hanley, die eine Expertin für die komplexen Zusammenhänge globaler Lieferketten ist, gab einen Überblick zu dieser Thematik und einen Einblick in aktuelle Forschungsergebnisse, während Judy Kaaria besonders auf die Folgen für die Wirtschaft ihres Heimatlandes Kenia einging.

Prof. Dr. Markus Gabriel, Inhaber des Lehrstuhls für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, sprach in seinem Vortrag über soziale Komplexität als Voraussetzung moralischen Fortschritts. Es gelte, gängige Fragestellungen neu zu durchdenken und ihnen mit vielschichtigen, verantwortungsvollen Antworten zu begegnen.

Im Rahmen einer Eucharistiefeier ging Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz auf die gesellschaftliche Tendenz zur Vereinfachung ein. Die verbreitete Sehnsucht nach Reduktion – ob in Architektur, Alltag oder privatem Lebensstil – sei Ausdruck einer wachsenden Komplexitätsmüdigkeit, so seine Deutung. Christinnen und Christen seien deshalb besonders gefordert, der Wirklichkeit in all ihrer Ambivalenz offen zu begegnen, statt sich in scheinbare Klarheit zurückzuziehen. Gerade im Hören aufeinander und im gemeinsamen Unterscheiden eröffne sich ein Weg verantwortungsvoller Wahrheitssuche.

Die KAAD-Stipendiatinnen und Stipendiaten brachten bei der Jahrestagung die Perspektiven des Globalen Südens in die Auseinandersetzung mit dem Thema ein – aus dem Blickwinkel Afrikas, Asiens, des Nahen Ostens, Lateinamerikas und Osteuropas ein. Sie beteiligten sich intensiv an den inhaltlichen Diskussionen und nutzten das Zusammensein zugleich für persönliche Begegnungen, die Stärkung des Glaubens in Gebeten und Gottesdiensten und nicht zuletzt für das gemeinsame Feiern mit ihren Kolleginnen und Kollegen vom Cusanuswerk.