Lernen aus der deutschen Geschichte – Versöhnen und Erinnern

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Vom 9. bis zum 12. Oktober trafen sich 23 Studierende aus allen Regionalreferaten des KAAD in der Alten Feuerwache in Berlin, um mehr über die deutsche Geschichte zu erfahren und Lehren aus ihr zu ziehen.

In einem einführenden Vortrag gaben Carla Sperandio, Praktikantin des KAAD und Markus Leimbach, Leiter des Osteuropa-Referates des KAAD, einen Überblick über die deutsche Geschichte bis zum Jahr 1989. Der zweite Tag begann mit einem Vortrag von Christine Hoffmann, Generalsekretärin von Pax Christi, die anhand der Kontakte mit dem französischen Ort Mailly die Schwierigkeiten und Chancen der kirchlichen Versöhnungsarbeit nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges aufzeigte, aber auch die Hintergründe dieser Versöhnungsarbeit beleuchtete. Sie machte ebenfalls deutlich, dass die Versöhnungs- und Erinnerungsarbeit viel Zeit benötigt: Zeit zu erinnern, Zeit zu versöhnen, Zeit zu akzeptieren sowie Zeit, um Schuld anzuerkennen.

Im zweiten Vortrag von Corinna Jentzsch von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ – eine Stiftungsinitiative, mit der Staat, Wirtschaft und Gesellschaft für das Leid der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter des nationalsozialistischen Unrechtsregimes Verantwortung übernehmen – wurde deutlich, in welcher Weise sich der deutsche Staat in diesem Bereich engagiert.

Der Nachmittag begann mit einem Besuch der Gedenkstätte Berliner Mauer, um zu verstehen, was die Trennung Berlins für die betroffenen Menschen, aber auch für das Leben in der Stadt bedeutete. Anschließend ging es in den Deutschen Bundestag zu einem Gespräch mit Nicole Westig, Bundestagsabgeordnete der FDP des Rhein-Sieg-Kreises, die mit der Gruppe über ihre Arbeit im Bundestag diskutierte und sich sehr interessiert an den Anliegen der Stipendiatinnen und Stipendiaten zu aktuellen politischen Konflikten in ihren Heimatländern zeigte. Den Abschluss des Tages bildete ein Vortrag im Plenarsaal des Bundestages und der Besuch der Kuppel des Reichstages. Vor allem der Blick in den abendlichen Himmel Berlins war sehr eindrucksvoll, genauso bemerkenswert wie die Erfahrung, dass der deutsche Bundestag bis in die Nachtstunden arbeitet und die Kuppel für Besucher bis Mitternacht geöffnet ist.

Der letzte Seminartag führte die Gruppe zunächst zu der Gedenkstätte Plötzensee. Hier wurden während der nationalsozialistischen Diktatur nahezu dreitausend Menschen hingerichtet, die durch die Justiz zu Unrecht verurteilt wurden. Insbesondere wurden hier Personen aus dem deutschen Widerstand – wie beispielsweise der Roten Kapelle, einem Netzwerk aus Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus – exekutiert. Von der Gedenkstätte führte der Weg der Erinnerung die Gruppe zu Maria Regina Martyrium – der „Gedenkkirche der deutschen Katholiken für die Opfer des Nationalsozialismus“, die errichtet wurde, um der Opfer des nationalsozialistischen Unrechtssystems zu gedenken. Schwester Myriam OCD führte die Gruppe durch die Kirche und erklärte die verschiedenen Elemente, beispielsweise die Pieta vor der Krypta, das Marienbild auf der Außenwand oder die Besonderheit, dass der Kirchhof durch die Umfassung mit Betonwänden einem Gefängnishof nachempfunden ist. Besonders eindrucksvoll ist die bemalte Altarwand, die viele Interpretationen zulässt – ein Effekt, den der Maler bezweckt hat.

In der Krypta der Kirche feierte die Gruppe gemeinsam mit P. Prof. Dr. Ulrich Engel OP, geistlicher Beirat des KAAD, einen Gottesdienst. In der Predigt erinnerte P. Ulrich an die Opfer des Unrechtsregimes in Deutschland und sprach von seinen persönlichen Begegnungen mit einem Mitbruder, der in Plötzensee inhaftiert war.

Den Abschluss des Seminares bildete eine Auswertungsrunde in Form eines World-Cafés, bei dem sich die Teilnehmenden anhand von vier Fragen über das Seminar austauschen und überlegen konnten, welche Bedeutung Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit für ihr Land haben kann. Insbesondere für Teilnehmenden aus Ländern, in denen derzeit Krieg herrscht, war es schwer vorstellbar, sich Gedanken über eine Versöhnung mit dem Aggressor zu machen. Aus der Opferperspektive ist die gedankliche Auseinandersetzung mit einem Friedensschluss schwerer als aus der Täterperspektive.

Begleitet wurde das Seminar durch morgendliche Meditationen der Stipendiatinnen und Stipendiaten in unterschiedlichen Ausprägungen – durch ein gemeinsames Gebet, eine pantomimische Performance oder eine Atemmeditation.

Nach den gemeinsamen Tagen in Berlin, in denen sich die Teilnehmenden mit den schwersten Stunden der deutschen Geschichte beschäftigten, haben sie viele Eindrücke gewonnen, die auch zur Versöhnungsarbeit in ihren jeweils eigenen Kontexten beitragen können.