Requiem oder Aufbruch? Bildung im digitalen Zeitalter

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Die Corona-Pandemie hat Studierende und Forschende weltweit gezwungen, sich ganz praktisch mit den Notwendigkeiten digitaler Bildung auseinanderzusetzen. Dieses Seminar, das vom 25. bis 28. Oktober in Dresden stattfand, hatte zum Ziel, eine Art Zwischenbilanz der Digitalisierung im Bildungswesen im Allgemeinen und in der universitären Lehre im Speziellen zu ziehen, die unterschiedlichen Erfahrungen gemeinsam zu reflektieren und zukünftige Chancen und Risiken kritisch zu diskutieren.

Dazu trafen sich 22 Stipendiatinnen und Stipendiaten unter der Leitung von Dr. Christoph Schwarz, dem neuen Referatsleiter Naher Osten und der Referentin Santra Sontowski. Die geistliche Begleitung übernahm P. Prof. Dr. Ulrich Engel OP. Die Freude der Teilnehmenden über die Möglichkeit, sich von Angesicht zu Angesicht austauschen zu können, war trotz der üblichen Hygienemaßnahmen groß. Mit der Wahl des Veranstaltungsortes wurde zudem Neuland erschlossen, denn es war das erste KAAD-Seminar in Dresden und die erste Kooperation des KAAD mit der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen. Aus diesem Anlass wurden die Teilnehmenden bei der Ankunft vom Direktor der Katholischen Akademie, Dr. Thomas Arnold, sogar persönlich willkommen geheißen. Er bot zudem spontan eine Führung durch das frisch renovierte Gebäude an, bei der die Gruppe viel über das Haus der Kathedrale und seine wechselvolle Geschichte erfahren konnten.

Der zwanzigminütige Weg zwischen der Unterkunft am Palaisplatz und dem Tagungsort, dem Haus der Kathedrale, führte die Seminarteilnehmenden jeden Tag durch den Palaisgarten und das Terrassenufer an der Elbe entlang über die Augustusbrücke. Vor der malerischen Kulisse der barocken Dresdener Altstadt auf dem gegenüberliegenden Ufer ergab dieser frühmorgendliche Gang bereits Gelegenheit für gemeinsamen Austausch und Kennenlernen. Von den Teilnehmenden stammten vier aus afrikanischen Ländern, zehn aus Asien, zwei aus Lateinamerika, vier aus Osteuropa sowie ein Cusanus-Stipendiat aus Deutschland.

Nach einer Vorstellungsrunde und der geistlichen Morgenandacht, die sich besonders den Opfern der Corona-Pandemie widmete, begann am Dienstagmorgen die inhaltliche Arbeit zum Thema Digitalisierung (in) der Hochschulbildung.

In Gruppenarbeit sammelten die Teilnehmenden zunächst Fragen und tauschten sich über ihre Erfahrungen aus: Wie haben die Stipendiatinnen und Stipendiaten die digitale Hochschullehre während der Pandemie erlebt? Was hatten sie aus ihren Herkunftsgesellschaften zu berichten, wie wurde dort die (Hochschul-)Bildung während Kontaktbeschränkungen organisiert?

Es wurde bald klar, dass der plötzliche Wechsel alle zunächst vor große Probleme gestellt hatte, dass die technischen und psychosozialen Herausforderungen jedoch teils sehr unterschiedlich waren – ebenso wie der individuelle Umgang damit. Auch gestalteten sich die Herausforderungen je nach Fach verschiedenen: Unter den Bedingungen der Kontaktbeschränkung erscheint die Arbeit in einem Labor oder das Üben eines Instrumentes im Musik-Studium in einem anderen Licht als das Diskutieren geisteswissenschaftlicher Literatur. Ganz allgemein wurden die eingeschränkten Gelegenheiten zu sozialem und freundschaftlichem Austausch als belastend empfunden, insbesondere von jenen, die sich noch nicht lange in Deutschland aufhalten. Einige betonten jedoch auch, dass sie sich besser konzentrieren konnten, da sie nun weniger Ablenkung erfahren hatten.

Für den anschließenden Gottesdienst versammelten sich die Teilnehmenden in einem Seitenflügel der barocken Dresdner Kathedrale – ein Novum für ein KAAD-Seminar, wie P. Prof. Dr. Ulrich Engel OP in seiner Predigt betonte.

Der Nachmittag begann mit einem Vortrag von Philipp Neubert (Centrum für Hochschulentwicklung und dem Hochschulzentrum Digitalisierung), der den gegenwärtigen Forschungsstand über die Erfahrungen der Studierenden mit digitaler Bildung seit Beginn der Pandemie zusammenfasste. Die Ergebnisse und die spürbare Begeisterung des Dozenten für das Thema wurden in der Diskussion lebhaft aufgenommen und eröffnete neue Blickwinkel auf die morgens erarbeiten Fragen.

Auch der folgende Tag begann mit einem geistlichen Morgenimpuls, gefolgt von einem sehr bereichernden Teilnehmervortrag: Prof. Dr. Rafał Riedel von der Universität Opole (PL), der sich gerade mit einem KAAD-Forschungsstipendium in Deutschland aufhielt, ergänzte die tags zuvor diskutierten Erfahrungen der Studierenden aus der Perspektive des Dozenten. Er stellte dabei die Schwierigkeiten für Lehre, Prüfung und Datenschutz dar, die sich aus der raschen Umstellung für den Lehrbetrieb ergaben.

Nach dem Mittagessen bot PD Dr. Markus Deimann (FernUni Hagen, Open Resources Campus NRW und Geschäftsführer des Landesportals ORCA) in seinem digitalen Vortrag einen kritischen Blick auf gesellschaftliche Diskurse über die Rolle von Technik in Lernprozessen. Er arbeitete in Form eines historischen Überblicks vom Behaviorismus bis zu heute vorherrschenden Perspektiven in der Lernpsychologie Kontinuitäten eines gewissen Effektivitätsfetisch heraus, der die sozialen Aspekte von Lernprozessen weitgehend ignoriere und den Lernenden die Rolle bloßer Empfänger von Wissen zuweise. Demgegenüber plädierte er für einen Blick, der die sozialen Beziehungen, die in der Technik implizit sind, kritisch reflektiert und aneignet. Dazu verwies er auf von Paulo Freire inspirierte Ansätze wie sie im Digital Pedagogy Lab oder im Journal of Hybrid Pedagogy diskutiert werden.

Ergänzend zu diesen Diskussionen konnte die Gruppe bei einer abschließenden Führung die Stadt Dresden und ihre Geschichte besser kennenlernen und das Seminar bei Glühwein in der Dresdner Neustadt ausklingen lassen.

Dresden-Seminar
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