Soziale Medien und Religion

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Welche Auswirkungen der kontinuierliche Bedeutungszuwachs der digitalen Kommunikationskanäle auf die Religionsgemeinschaften hat, untersuchten 13 Stipendiatinnen und Stipendiaten vom 19. bis zum 22. August in der Oase des Benediktiner-Klosters Königsmünster in Meschede.

Wir alle verwenden die verschiedenen Sozialen Medien im täglichen Leben, um uns zu vernetzen, in Kontakt miteinander zu treten oder zu bleiben oder um uns umfassend zu informieren. Auch die verschiedenen Religionsgemeinschaften sind in den Sozialen Netzwerken aktiv und nutzen digitale Kommunikationskanäle, um ihre Gemeinde oder an spirituellen Themen interessierte Menschen zu erreichen. So ist die Katholische Kirche in Deutschland beispielsweise über das Katholische Medienhaus durch Webauftritte, Fernsehproduktionen und in den Sozialen Medien wie etwa Facebook, Instagram u. Ä. präsent. Auch andere Konfessionen und Religionen sind auf verschiedene Weise im virtuellen Raum vertreten.

Die Präsenz von Religion in den Sozialen Medien führt einerseits zu neuen Möglichkeiten ihrer Sichtbarmachung, bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Sogenannte „religiöse Influencer“ stellen Chancen und Gefahren für die Glaubensgemeinschaften in den Sozialen Netzwerken dar, wie der Journalist und Medienwissenschaftler Christoph-Paul Hartmann von katholisch.de in seinem Einführungsvortrag zum Seminar herausstellte. Christoph-Paul Hartmann definierte zunächst den Grundbegriff „Medien“, zu denen neben Büchern und Bildern auch Gebäude im öffentlichen Raum und Devotionalien zählen und unterlegte diese verschiedenen Formen der Medien mit einer Auswahl an visuellen Beispielen. Durch die Ausweitung und Vervielfältigung der Informationen in den Sozialen Medien kann jeder Mensch vollkommen individualisierte Inhalte – insbesondere auf Suchanfragen – erhalten, auch für den religiösen Raum. Eine kritische Hinterfragung der Informationen findet dabei oftmals nicht statt.

An einer Vielzahl von Beispielen zeigte der Referent das große differierende Angebot an Religionstraditionen im virtuellen Raum auf. Problematisch ist, dass die Authentizität dieser Angebote nur schwer zu erfassen ist und dass es immer mehr Falschaussagen zu jeglichen Inhalten gibt. Dabei hat der Einsatz von Künstlicher Intelligenz sowohl das Informationsangebot als auch das Fälschungspotential von Inhalten im Internet vergrößert. Zum Schluss stellte Christoph-Paul Hartmann das Angebot von katholisch.de vor, dem Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland. Dieses Nachrichtenportal versucht aus katholischer Sicht, den verschiedenen Zielgruppen seriöse Inhalte anzubieten.
Des Weiteren wies Christoph-Paul Hartmann darauf hin, dass zur Generierung einer hohen Reichweite auch eine große Menge an Content erstellt werden müsse, wobei dies von Medium zu Medium unterschiedlich sei. Um die entsprechenden Zielgruppen zu erreichen, müsse im sozialen Netzwerk „TikTok“ beispielsweise deutlich häufiger gepostet werden als auf Facebook. Insgesamt zeigte er die Chancen auf, die sich für die Kirche durch die digitalen Plattformen ergeben, wies aber auch auf die Gefahren hin, die von den Sozialen Medien ausgehen, wenn Inhalte nicht kritisch hinterfragt werden. Insbesondere die Intention der (religiösen) Influencer sollte in jedem Einzelfall hinterfragt werden.
Die KAAD-Stipendiatin und Literaturwissenschaftlerin Dr. Vanuhi Baghmanyan demonstrierte in ihrem Vortrag, wie im armenisch-aserbaidschanischen Krieg religiöse Symbole von den Medien instrumentalisiert wurden. Sie machte dies an verschiedenen Beispielen deutlich, in denen militärische Ereignisse, Gegenstände und Personen durch die Militärpropaganda ikonenhaft dargestellt wurden.

Einen anderen Zugang wählte der Theologe P. Altus Jebada SVD, der am Beispiel des Buches „Public Opinion“ von Walter Lippmann aus dem Jahre 1922 die Nutzung der öffentlichen Meinung zu Propagandazwecken darstellte. Dieses Buch gibt sowohl eine Anleitung darüber wie Propaganda erzeugt wird als auch Hinweise zum Erkennen derselbigen. Die Aussagen und Analysen von Walter Lippmann sind heute noch gültig und werden in den Medienwissenschaften, der Politikwissenschaft und der Sozialpsychologie genutzt.

Im Anschluss tauschten sich die Teilnehmenden in Arbeitsgruppen über die Situation in ihren Ländern aus. Hierbei wurde deutlich, dass viele die Öffentlichkeitsarbeit ihrer Regierungen als reine Propaganda empfinden, die kritisch hinterfragt werden müsse. In Bezug auf die traditionellen Kirchen wünschten sie sich, dass diese vor allem jungen Menschen mehr Angebote unterbreiten würden, da Soziale Medien einen immer stärkeren Einfluss auf das religiöse Verhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen hätten. Es müsse das Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass Soziale Medien vielfach ein Feld für radikale Influencer seien. Die Teilnehmenden wiesen an verschiedenen Stellen darauf hin, dass ,Digital Literacy‘ (digitale Kompetenz) als Bildungsfeld mehr Bedeutung erhalten solle, um unter anderem einen kritischen Umgang mit Sozialen Medien zu erlernen. Deutlich wurde auch, dass eingängige Formate (bestehend aus vielen Bildern, Musik und Ton) stärker wahrgenommen werden als andere.
Ein Ausflug in das Sauerland, der aufzeigte, wie wichtig diese Region als Wasserreservoir und Naherholungsgebiet ist, sowie eine Führung durch das Kloster Königsmünster rundeten das Seminar ab. Das Seminar wurde von Markus Leimbach, Leiter des Osteuropa-Referates des KAAD, durchgeführt und von P. Prof. Dr. Ulrich Engel OP, geistlicher Beirat des KAAD, spirituell begleitet.

Christoph Paul Hartmann