Stipendiatinnen und Stipendiaten des KAAD prägten das Kenia-Seminar in Weingarten (8.–10. März 2024)

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In Westafrika wenden sich reihenweise Staaten von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich ab. Doch die Allianz des ostafrikanischen Kenias zum Westen wird bleiben – das war eine der Erkenntnisse des Kenia-Seminars in der Akademie Weingarten. Über westliche Werte und eine bessere Gesundheitsversorgung wurde emotional diskutiert. KAAD-Stipendiatinnen und Stipendiaten prägen dieses Seminar seit Jahren durch ihre Vorträge und Diskussionsbeiträge.

Kenia – ein Schlüssel zu Afrika

Von Christoph Link, Teilnehmer des Seminars

Vor mehr als drei Jahrzehnten von Comboni-Missionaren begründet, ist das alle eineinhalb Jahre stattfindende Kenia-Seminar zu einer festen Größe geworden – ein Treffpunkt für Entwicklungshelfer und Entscheider in der kenianisch-deutschen Gemeinde. Der ostafrikanische Staat gilt mit seiner Funktion als Verkehrsdrehscheibe, seinem hohen Bildungsniveau und seiner Wirtschaftsmacht als „Powerhouse“ in der Region – er strahlt aus bis Somalia, den Kongo und Simbabwe. Mit seinem angenehmen Klima – Nairobi liegt auf fast 2000 Meter Höhe – ist Kenia auch bei Europäern als Standort beliebt und dort befindet sich die einzige UN-Organisation in Afrika, das UN-Umweltprogramm (UNEP).

Durch die Corona-Epidemie mit ihrem Lockdown der Weltwirtschaft ist auch Kenia schwer gebeutelt worden, die früheren Wirtschaftswachstumsraten von fünf Prozent von 2010 bis 2018 waren passé, wie Christopher Otieno Omolo, Doktorand am Institut für Politikwissenschaft in Tübingen, ausführte. Der KAAD-Stipendiat schilderte, dass der gleich danach folgende Russlandkrieg gegen die Ukraine mit immensen Preissteigerungen für Benzin, Getreide und Kunstdünger verbunden war:  ein weiterer Schock für Kenias Wirtschaft die auf den Export von Kaffee, Tee, Blumen und Gemüse abhängige angewiesen ist. Russland war im Übrigen ein starker Teeimporteur – auch das fällt nun flach.

Auch dank einer guten Regenzeit sehe man derzeit aber  „Zeichen für eine stabile Erholung unserer Wirtschaft“, so ChristopherOmolo. Kenia könne seine Funktion als „Eintrittspunkt“ für die ostafrikanische Wirtschaft wieder erfüllen. Zumal die Ostafrikanische Gemeinschaft („EAC“), die heute sieben Staaten umfasst, um Äthiopien und Djibouti erweitert werden soll. Mit Äthiopien werde man einen „schlafenden Giganten“ hinzugewinnen, der EAC-Markt werde sich von 250 Millionen Menschen auf 350 Millionen erweitern. Auch an der politischen Front scheint in Kenia Ruhe eingekehrt. Über den 2023 gewählten Präsidenten William Ruto, dessen zur Gewalt anstiftende Rolle bei den Unruhen in Kenia 2007 und 2008 auch den Internationalen Strafgerichtshof auf den Plan rief, sind beim Kenia-Seminar kaum kritische Worte zu hören gewesen. Er sei ein „hart arbeitender Präsident“, so Christopher Omolo, der mit Steuererhöhungen und dem Kürzen von „nicht nachhaltigen“ Subventionen für Treibstoff und Strom unpopuläre Maßnahmen gleich im ersten Amtsjahr vollzogen habe. Die Steuererhöhungen treffen allerdings vor allem die schmale Mittelklasse (zehn Prozent). Ob sie auch zu besseren Leistungen des Staates führen oder „in den Taschen der Elite“ landen, ist noch nicht ausgemacht. Gegenüber seinem Hauptwidersacher, den Oppositionsführer Raila Odinga, der gegen den Wahlausgang klagte und vor dem Obersten Gerichtshof unterlag, hat WilliamRuto eine Politik der „leisen Annäherung“ geführt. Er unterstützt Raila Odinga bei dessen Kandidatur als Generalsekretär für die Afrikanische Union. Nach einigen Nachwahl-Unruhen ist es jetzt ruhig im Land.

Auch die KAAD-Stipendiatin Phidelis Wamalwa, Doktorandin am Institute of Global Health der Universitätsklinik Heidelberg, bescheinigte William Ruto zumindest Arbeitsfleiß: Vier Verordnungen zugunsten einer besseren nationalen Krankenversicherung – dem 1961 gegründeten National Health Insurance Funds – (NHIF) – hat William Ruto schon auf den Weg gebracht. Ziele seien, die immensen Verwaltungskosten des NHIF durch Digitalisierung zu vermindern, aber auch die Einkünftebasis zu erhöhen und den informellen Sektor als Beitragszahler zu gewinnen – er macht rund achtzig Prozent der Wirtschaft Kenias aus.

Mit Argwohn wird in Europa die Abwendung von Staaten wie Mali, Niger und Burkina Faso von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich betrachtet und der Seminar-Leiter, Dr. Marko Kuhn, Referatsleiter Afrika des KAAD – stellte in einer Diskussionsrunde die Frage, ob sich eventuell auch Kenia vom Westen abwenden und beispielsweise zu den BRICS-Staaten gesellen könnte. Noch sind die Bindungen Kenias auch zur ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien sehr eng, so haben die Briten noch Truppenübungsplätze in Kenia. Natürlich könnte eine Hinwendung zu BRICS eine höhere politische Freiheit bringen, hieß es, andererseits übe zum Beispiel das BRICS-Land Russland über seine Wagner-Truppen in Westafrika „blanken Kolonialismus“ aus und die Abhängigkeit von China – dass beim Thema Menschenrechte keine Fragen stellt – sei bei den kreditfinanzierten Infrastrukturmaßnahmen hoch. Tenor allgemein: Es gibt keine Anzeichen für einen „Shift“ weg  vom Westen.

Interessant war auch eine Nebendebatte über Werte: Immer noch sind Unterschiede da, etwa die kenianischen, stark auf Familien- und Gruppensolidarität setzenden Werte, auf der anderen Seite die Individualität betonenden westliche Werte. Ein „clash of culture“ ist nicht befürchtet worden, aber wie harsch beispielsweise Uganda gegen Aktivisten der LGBT-Bewegung vorgeht, wurde allenthalben als besorgniserregend empfunden.

Das Seminar hatte durch die Anwesenheit von KAAD-Stipendiatinnen und Stipendiaten eine belebende Wirkung, sie konnten interessant über ihre Studien – Klimawandel in Afrika, Schutz von Wildtieren, Global Health – berichten. Neben den beiden Vortragenden nahmen weitere fünf Akademikerinnen und Akademiker aus Kenia teil, die durch den KAAD gefördert werden. Auch die Vernetzung des KAAD zur austragenden Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart konnte gestärkt, ebenso wie zur Diözese selbst.

Einen spirituellen Moment setzte der Ex-Missionar und Pfarrer Willy Schneider mit einem Gottesdienst mit „kenianischen Elementen“ – es wurde auf Kiswahili gesungen.

 

 

KAAD-Stipendiatin Phidelis Wamalwa bei ihrer Präsentation zur Krankenversicherung in Kenia

KAAD-Stipendiatin Noreen Mutoro bei der Vorstellung einer Gruppendiskussion

KAAD-Alumnus Bramwell Omondi