„Things have a Price, People have a Dignity“ (Pope Francis) – The Involvement of the Church in Societal Processes in Africa, KAAD-Auslandsakademie in Simbabwe

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Neben der jährlich stattfindenden KAAD-Akademie im Inland, der Jahresakademie, richtet der KAAD zusammen mit seinem Partnernetzwerk einmal im Jahr eine Akademie in einer der fünf Schwerpunktregionen aus. Bereits für 2020 in Simbabwe geplant, konnte die Auslandsakademie endlich in diesem Jahr als Konferenz in Kooperation mit der Arrupe Jesuit University (AJU) in Harare stattfinden.

Vom 21. bis zum 24. Juli 2022 kamen 85 Geförderte, Alumni und Partner aus über zehn afrikanischen Ländern sowie aus Asien, Lateinamerika, Europa und dem Nahen Osten in Harare zusammen. Auch der Präsident des KAAD, P. Dr. Hans Langendörfer SJ, zwei Mitglieder des Akademischen Ausschusses des KAAD, Prof. Dr. Dr. h.c. Margit Eckholt und Prof. Dr. Christoph de Oliveira Käppler sowie der Leiter und die Referentin des Afrika-Referats, Dr. Marko Kuhn und Fernanda Hulverscheidt Fagundes, waren vor Ort.

Die Tagung hatte sich die Kontextualisierung der Katholischen Soziallehre in Afrika zum Ziel gesetzt, um die besondere Situation in afrikanischen Gesellschaften in Bezug auf soziale Gerechtigkeit und Verteilung von Wohlstand, Kampf gegen Unterdrückung, Subsidiarität und die Rolle des Staates herauszuarbeiten. Der Erzbischof von Harare, Robert C. Ndlovu, und der Apostolische Nuntius in Simbabwe, Erzbischof Paolo Rudelli, gingen in ihren Ansprachen auf die besondere Rolle der kirchlichen Lehre für ein Land wie Simbabwe ein; der deutsche Botschafter in Harare, Udo Volz, würdigte in seinem Grußwort den Beitrag der Kirche für die Gesellschaft Simbabwes.

Dr. David Kaulem, Dozent für Philosophie und Sozialethik an der Arrupe Jesuit University (AJU) und Mitglied des KAAD-Partnergremiums in Simbabwe, hielt den Hauptvortrag am ersten Abend zum Thema „Pope Francis Declares that ‚Things have a Price and People have a Dignity.‘ What does this mean in the Context of Africa?“, in dem er kritisierte, dass sich auch kirchliche Akteure mehr und mehr dem Primat der Ökonomie unterwerfen würden, sei es in kirchlichen Bildungseinrichtungen, Krankenhäusern oder sozialen Diensten. Dies hätte weltweit negative Auswirkungen, sei aber in einem Land wie Simbabwe verheerend. Er rekurrierte dabei vor allem auf Impulse von Papst Franziskus, der betont hat, dass ein rein auf Wachstum und Gewinnoptimierung ausgerichtetes Wirtschaftssystem „tötet, weil es das Geld in den Mittelpunkt stellt und nur dem Geld gehorcht".

P. Dr. Hans Langendörfer SJ reflektierte in seinem Vortrag am Vormittag des zweiten Konferenztages über die Beteiligung der Kirche an gesellschaftlichen Prozessen im deutschen und europäischen Kontext. Dabei beschrieb er die Faktoren, die dazu beitragen, dass in Deutschland und anderen europäischen Ländern die Möglichkeiten eines erfolgreichen gesellschaftlichen Wirkens der Kirche geringer werden und das Vertrauen vor allem in die katholische Kirche schwindet. Dennoch, so Langendörfer, haben die Kirchen – gerade in Deutschland – immer noch breite Möglichkeiten gesellschaftlichen Engagements, die gut genutzt werden.

Neben Vorträgen und Plenardiskussionen erarbeiteten die Teilnehmenden aus den verschiedenen Regionen Afrikas und der Welt in Workshops das Thema anhand ihrer eigenen Erfahrungen und Perspektiven und trugen ihre Ergebnisse im Plenum vor. Die beiden KAAD-Alumni Dr. Catherine Biira (Uganda) und Christopher Otieno Omolo (Kenia/Tansania) stellten am Ende der Konferenz zehn konkrete Thesen für eine zukünftige Rolle der Kirche in afrikanischen Gesellschaften und darüber hinaus vor. Eine Spitze ihrer Forderungen lag darin, dass kirchliche Akteure in Afrika glaubwürdige Einzelpersonen darin unterstützen sollten, sich um politische (Wahl-)Ämter zu bewerben. Die Kirche solle somit afrikanische Regierungen mit integren Männern und Frauen ‚versorgen‘, die Gott fürchten und die bevorzugte Option der Armen wählen. Einen weiteren zentralen Punkt setzten die beiden in der Forderung, dass Führungskräfte zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Der Kirche in Afrika käme dabei eine zentrale Rolle zu und sie könne den Mächtigen in Unterdrückungssystemen, die Korruption, Rassismus, Diskriminierung, Ausbeutung und Missbrauch marginalisierter Gruppen innerhalb der Gesellschaft aufrechterhalten, die Wahrheit sagen. So könnten Bischöfe und andere kirchliche Akteure die Unzulänglichkeit von einer auf Zwang und Falschheit basierenden Politik aufdecken und aufzeigen, dass die wahre Quelle der Macht eher in der Dienerschaft als in der Herrschaft liegt.

Programm und sämtliche Vorträge

In einer Podiumsdiskussion wurden die Punkte weiter diskutiert und auch um andere Perspektiven ergänzt, so beispielsweise von Prof. Dr. Dr. h.c. Margit Eckholt (Professur für Dogmatik und Fundamentaltheologie, Universität Osnabrück) oder von Oscar Perdomo Cabellos (Stipendiat des KAAD aus Kolumbien), wobei sich zeigte: Je stärker eine Gesellschaft von religiöser Pluralität geprägt ist, desto weniger werden innerkirchliche Reformthemen diskutiert. Befindet sich die katholische Kirche in einer Minderheitenposition, ist sie sehr viel mehr mit der inneren Stabilisierung beschäftigt und damit, ihre Themen in der Gesamtgesellschaft zu platzieren. In Lateinamerika etwa sind vielerorts ähnliche Reformthemen an der Tagesordnung wie in Westeuropa. In Äthiopien oder Albanien geht es aber stärker um Frieden und Interessensausgleich unterschiedlicher Volksgruppen. Alle Diskutanten waren sich einig, dass eine Verlagerung der weltweiten katholischen „Gravitation“ nach Süden eine epochale Veränderung darstellt und sich auch in Theologie und kirchlichen Leitungsstrukturen niederschlagen muss.

Neben dem akademischen Programmteil mit Vorträgen und Workshops kamen die Teilnehmenden bei Besuchen verschiedener Orte in Harare mit Repräsentanten unterschiedlicher Organisationen und Institutionen zusammen, um die gesellschaftliche Rolle der katholischen Kirche in Simbabwe konkret zu erleben und zu reflektieren. Den Bereich „Bildung und Zivilgesellschaft“ illustrierte dabei das landwirtschaftliche Zentrum Silveira House, das sich soziale Gerechtigkeit, aktive Bürgerschaft, verantwortungsbewusste Politik und Gemeindeentwicklung auf die Fahnen geschrieben hat und von Jesuiten gegründet wurde und gleitet wird. Dem Thema „Gerechtigkeit und Frieden“ widmete sich der Besuch der Catholic Commission of Justice and Peace in ihrer Zentrale in der Erzdiözese Harare. Bildung und Erziehung an der Seite von benachteiligten Jugendlichen ließen sich konkret am St. Peter’s Kubatana Training Centre im Stadtteil Highfield erfahren und diskutieren, während die kirchliche Rolle in der modernen Kommunikation im Zentrum der Jesuit Communications erörtert wurde.

Ebenfalls gab es für die Gruppe die Möglichkeit, an einer ‚Kunst-Exkursion‘ in die National Gallery, Mbare Art Space und in das UnhuVillage oder an einem Besuch eines ‚Lion Parks‘ teilzunehmen. Die Möglichkeit einer „Zugabe“ dazu bildete tags darauf eine afrikanische Safari im Wildtierschutzpark Imire Rhino & Wildlife Conservation, dessen Ziel es ist, die Sicherheit der Wildtiere durch langfristiges, nachhaltiges Umweltmanagement und positive Gemeinschaftsprojekte zu gewährleisten.

Am letzten Tag feierten alle Teilnehmenden einen feierlichen Abschlussgottesdienst in der Kirche der Arrupe Jesuit University – die Begleitung der Messe durch Rhythmen und Gesänge aus Simbabwe waren vor allem für die Gäste von außerhalb des Landes sehr beeindruckend. Hier erfuhr die Gruppe im gemeinsamen Beten und Feiern noch einmal, wie die Themen der Konferenz mit der Spiritualität vor Ort zusammenhängen und wie kraftvoll die Gemeinschaft über Landes- und Kontinentgrenzen hinweg sein kann – vor allem, wenn es um den Einsatz von Christinnen und Christen für Gerechtigkeit und Menschenwürde geht.