Vom 27. Februar bis zum 02. März 2023 fand in Kooperation mit der Akademie Franz Hitze Haus in Münster ein Seminar statt, bei dem 25 KAAD-Geförderte sowie eine Stipendiatin des Cusanuswerks unter der Leitung von Dr. Thomas Krüggeler über die Bedeutung Tropischer Wälder für das zukünftige Leben auf der Erde diskutierten. Es wurde sehr schnell deutlich, dass der Schutz der Wälder, das Leben mit ihnen und ihre wirtschaftliche Nutzung langfristig nur gelingen kann, wenn Menschen es schaffen, das noch immer dominierende Verständnis von „Mensch und Natur“ zu überwinden und in ein „Mensch in der Natur“ wandeln. Dazu gehört auch, dass besonders die westlichen Naturwissenschaften das Nebeneinander von wissenschaftlicher Erkenntnis und anderen Wissenssystemen aufzuheben bereit sind und indigenes, traditionelles und lokales Wissen in ihre Analysen einfließen zu lassen.
In diesem Punkt waren sich die zwei Hauptvortragenden, Prof. Dr. Tillmann Buttschardt (Lehrstuhl für Angewandte Landschaftsökologie und Ökologische Planung an der Universität Münster) und Dr. Elba Tyanif Rico Rodríguez (Kolumbianische Geographin und Gastwissenschaftlerin an der Universität Bielefeld) einig. Tillmann Buttschardt argumentierte in seinem Vortrag „Mother Earth's Treasury under Pressure – Significance, Value and Functions of (Tropical) Forests“ eher von der Makro-Ebene und formte den Begriff „treasure“ bei Bedarf sehr effektvoll in „treesure“ um. Ihm gelang es, die Komplexität des Themas herauszustellen, indem er – wie im Titel vorgegeben – die Bedeutung von Wäldern, ihren Wert und ihre Funktionen anhand von Beispielen aus verschiedenen Erdteilen darstellte. Dabei betonte er den enormen Druck, unter dem tropische Wälder stehen (wirtschaftliche Ausbeutung durch Abholzung, Bergbau etc.) und arbeitete unter anderem mit aufschlussreichen Daten der in Bonn ansässigen UN Organisation Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services.
Elba Rico bewegte sich mit ihrem Vortrag „Caring for the Forest from the Territory. Examples of Interdependencies in Peasant Livelihoods from Colombia and Mexico“ hingegen auf der Mikro-Ebene und stellte beispielhaft zwei Regionen in Kolumbien und Mexico in den Vordergrund. Ihr ging es zentral darum, den Wald als Teil eines geographischen Raums zu präsentieren, in dem Menschen (insbesondere indigene Kleinbauern) sozial und wirtschaftlich agieren. Dabei basiert ihre Interaktion mit dem Wald auf ihrem Naturverständnis, das Respekt vor dem Wald beinhaltet. Dabei ist Elba Rico weit davon entfernt, die Beziehungen zwischen Mensch und Wald im geographischen Raum zu romantisieren – sie thematisiert sehr wohl den Druck, den urbane Räume innerhalb des definierten Territoriums auf Wälder ausüben und die Konflikte, die zwischen überregionalen staatlichen Institutionen und lokalen und regionalen Akteuren entstehen.
Wichtige Beiträge kamen auch von Teilnehmenden des Seminars. So skizzierten Neema Robert Kinabo und Koggani Dickson Koggani sehr eindrücklich die Praxis und Probleme des Waldmanagements in Tansania und gingen dabei konkret auf verschieden Aspekte ein, die TillmannButtschardt zuvor allgemein beschrieben hatte. Carolina Hormaza brachte eine historische Perspektive in das Seminar ein, indem sie die Rolle deutscher Geographen analysierte, die zwischen 1930 und 1970 mehr oder wenige direkt dabei mitgewirkt haben, große Waldgebiete in Lateinamerika für die wirtschaftliche Nutzung und Siedlungsprojekte zu erschließen.
Die Veranstaltung, bei der „die Sorge um das gemeinsame Haus“ im Sinne der päpstlichen Enzyklika Laudato si‘ im Zentrum stand, war für die Teilnehmenden auch eine Vorbereitung auf das Thema der KAAD-Jahresakademie 2023.