Gemäß dem Diktum Goethes haben sich 22 Stipendiatinnen und Stipendiaten vom 10. bis 13. Februar im Franz-Hitze-Haus in Münster versammelt, um sich mit den „Alten Sprachen und Kulturen des Nahen Ostens“ vertraut zu machen. Das Regionalseminar des Referats Naher und Mittlerer Osten brachte Menschen aus elf verschiedenen Ländern zusammen – 14 Teilnehmer/innen kamen aus Ländern des Nahen Ostens, nämlich aus Ägypten, Syrien, Jordanien, Palästina und dem Irak; acht kamen aus anderen Teilen der Welt.
Ein Schwerpunkt dieses Kooperationsseminars, das von Dr. Christian Müller (Hitze-Haus), Dr. Nora Kalbarczyk und Santra Sontowski geleitet und von Pater Prof. Dr. Thomas Eggensperger OP geistlich begleitet wurde, lag darauf, nachzuspüren, was aus diesen längst vergangenen Zeiten bis in die Gegenwart hinein nachwirkt.
So begann der inhaltliche Teil des Seminars mit dem Workshop „Der Alte Orient in meinem Leben“, in dem die Teilnehmenden in sich wechselnden Gruppenzusammensetzungen darüber reflektierten, was sie mit den verschiedenen Stichworten dieses Themenkomplexes verbinden, welche Narrative, Sprachen und Länder ihnen dabei vor allem in den Sinn kommen und wie sich das jeweilige Herkunftsland damit in Beziehung setzt oder setzen lässt. Es folgten Teilnehmervorträge von Dyoniz Kindata aus Tansania über „Die Literatur des alten Mesopotamien – Ein Überblick“ sowie von Layth aus dem Irak über die Sprachen Mesopotamiens. Der Workshop und die Vorträge ebneten den Weg für den Einführungsvortrag „Geschichte, Sprachen und Kulturen des Alten Orients“, den Prof. Dr. Hans Neumann (Altorientalistik, Universität Münster) hielt. Nach einer Begriffsklärung erfolgte ein historischer, kultur- und sprachgeschichtlicher Überblick – angefangen von den sumerischen Stadtstaaten im alten Zweistromland (griech. Mesopotamien) im frühen dritten Jahrtausend v. Chr. bis zum Achämenidenreich im 4. Jh vor Chr.
Vertieft und von verschiedenen Seiten beleuchtet wurde die Zeit des Alten Vorderen Orients bei einer Führung durch das Archäologische Museum Münster. In eine andere Epoche und eine andere Region wurden die Teilnehmenden bei der Stadtführung durch Münster versetzt – die Besichtigung des Doms und des Friedenssaals waren dabei sicherlich ein besonderer Höhepunkt.
In seinem Vortrag „Der Alte Orient im heutigen Nahen Osten: Einflüsse auf Sprache, Kultur und religiöse Traditionen“ zeigte Prof. Dr. Dr. Manfred Hutter (Vergleichende Religionswissenschaft, Universität Bonn) die Bezüge des Alten Orients zur Gegenwart auf. Seien es die verschiedenen zivilisationsstiftenden Erfindungen (wie z.B. der Saatpflug), oder sprachliche Ausdrücke des Sumerischen oder Akkadischen, die bis heute tradiert worden sind, seien es bestimmte Mythen und Narrative, die in das kollektive Gedächtnis mancher Kulturen und Länder Eingang gefunden haben und die bisweilen zu politischen Zwecken aktiviert und missbraucht werden – sie alle bilden Anknüpfungspunkte für einen sachlichen oder auch identitätsstiftenden Rückbezug. An den Aspekt der Konstruktion oder auch Unterdrückung von bestimmten Identitäten konnten die Teilnehmenden in besonderer Weise anknüpfen – vor allem dann, wenn es sich um an eine bestimmte Sprache geknüpfte Identitäten handelt.
Der gesellige Höhepunkt des Seminars war der von drei Stipendiaten/innen organisierte Abschlussabend, der die Teilnehmenden zu Akteuren in einem spannenden und lustigen Quiz machte. Spirituell wurde das Seminar durch den internationalen Gottesdienst in der Edith-Stein-Kapelle abgerundet.
Dieses Seminar, so lässt sich abschließend festhalten, hat den Teilnehmenden auf verschiedene Art und Weise eine Erweiterung ihrer Perspektive eingebracht – und sicherlich viele neue Bekanntschaften und Freundschaften gestiftet.