KAAD-Seminar: „Arbeitsmigration – Asien in der Welt“

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Vom 4. bis zum 7. März 2024 kamen 24 Stipendiatinnen und Stipendiaten aus 15 Ländern in Berlin zusammen, um sich mit den Problemen von Arbeitsmigrantinnen und -migranten aus Asien zu beschäftigen.

Die Arbeitsmigration ist in Asien besonders vielfältig, dabei spielt die Binnenmigration aus ländlichen Gebieten in die urbanen Wachstumsräume eine ebenso große Rolle wie die Migration zwischen den Ländern. Unter der Leitung von Dr. Anselm Feldmann setzten sich die Teilnehmenden, unter denen sich auch drei Geförderte des Cusanuswerks und zwei Stipendiaten des Albert-Magnus-Stipendienprogramms befanden, insbesondere mit der Arbeitsmigration in die sogenannten ‘3D-Jobs‘ (‘dirty‘,‘dangerous’, ‘difficult‘) im Bereich der Pflege- und Hausarbeit, des Baugewerbes sowie der Fischerei- und Landwirtschaft auseinander. Zudem konnten die Teilnehmenden einen Blick auf das Leben und Arbeiten der vietnamesischen Gemeinschaft in Berlin werfen, die für die Geschichte der beiden Länder eine besondere Rolle spielt. Durch die verschiedenen Schwerpunkte in der Annäherung an das Thema versuchte das Seminar, den sehr heterogenen Formen von Arbeitsmigration aus und innerhalb Asiens Rechnung tragen.

Zunächst stellte Ellene Sana vom Center for Migrant Advocacy (CMA), Philippinen, per Zoom die Arbeit des CMA, die besonderen Probleme der (Arbeits-)Migrantinnen und Migranten in und aus Asien sowie die Auswirkungen der Arbeitsmigration vor. Das CMA will Betroffene über die Gefahren von Schlepperei und moderner Sklavenarbeit, über die Arbeitnehmerrechte in den unterschiedlichen Ländern Südostasiens, über Hilfsangebote vor Ort, aber auch über die Herausforderungen, vor denen die Zurückgebliebenen (Familienangehörige, insbesondere Kinder und Ehepartnerinnen und Ehepartner) stehen, aufklären. Außerdem stellte Ellene Sana die Lobbyarbeit des CMA, des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN) und anderer Organisationen in den Nationalstaaten Südostasiens vor. In der lebhaften Frage- und Diskussionsrunde konnte anschließend auf spezifischere Probleme bezüglich der Arbeitsrechte in der Textilindustrie Bangladeschs, auf die Sklaverei in Thailands Fischereiwesen und auf die Schwierigkeiten, mit denen Familienmitglieder von meist weiblichen Pflegekräften aus den Philippinen konfrontiert sind, eingegangen werden.

Im Anschluss hielten Teilnehmende des Seminars Vorträge zu dem Thema. Minh Doi Nguyen sprach über die Binnenmigration im ländlichen und urbanen Raum in Vietnam und die Wohn- und Bildungsmöglichkeiten von Wanderarbeiterinnen und -arbeitern sowie über deren Verständnis von Zugehörigkeit. Kamol Gomes aus Bangladesch gab Einblick über die sich selbst verstärkende Dynamik von Umweltverschmutzung und Landflucht. Er stellte den Kreislauf dar, wie die Umweltverschmutzung in seinem Heimatland zu weniger Erträgen in der Landwirtschaft führt, wodurch sich der Druck auf weitere Industrialisierung und einen Ausbau der Textilindustrie erhöht, wodurch sich dann wiederum das Problem der Umweltverschmutzung verschärft. Matthew Etabo Edung ergänzte die Vorträge mit seiner Präsentation zur indischen Minderheit in Kenia. Die meisten der indisch-stämmigen Kenianer wurden während der Kolonialzeit nach Kenia gebracht und tragen heute einen wichtigen Teil zur kenianischen Gesellschaft bei; in Kenia sind sie daher als neuer Stamm anerkannt worden. Der Leiter des Asienreferats, Dr. Anselm Feldmann, ging abschließend auf die Zwangslage moderner Sklavenarbeiter im Fischereiwesen Südostasiens ein. Insbesondere in Thailand hat sich hier eine Industrie entwickelt, die aufgrund von Umweltzerstörung und erhöhter Energiekosten zunehmend auf Ausbeutung und Sklavenarbeit von Arbeitsmigrantinnen und -migranten aus Myanmar und Kambodscha setzt. Auch wenn die Nachrichtenagentur Associated Press den Pulitzer-Preis 2016 für ihre Recherche zu diesem Themenkomplex erhielt und westliche Unternehmen ihre Lieferketten angepasst haben, bleibt das Problem weiterhin bestehen. Das Thema wurde besonders eindrücklich dadurch, dass auch Familienmitglieder von Geförderten des KAAD in der Vergangenheit von Ausbeutung und Sklaverei betroffen waren.

Am zweiten Seminartag besuchte die Gruppe zunächst die Vereinigung der Vietnamesen in Berlin und Brandenburg e.V. Hier berichtete der Vorstandsvize, Chu Tien Tang, von der Arbeit des Vereins, der 1992 gegründet wurde, um sich für die Belange der Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter aus Vietnam einzusetzen, die von der ehemaligen DDR angeworben worden waren. Der Verein kümmert sich seitdem um Belange des Aufenthaltsrechts, bietet Beratung in familiären und schulischen Bereichen, betreibt ein Kulturzentrum und vermittelt Ratsuchende an weitere Organisationen und Behörden, wenn der Bedarf besteht. Chu Tien Tang selbst kam 1974 in die DDR, um dort Ingenieurwesen zu studieren mit dem Ziel, beim Aufbau Vietnams nach dem Krieg mitzuwirken. Nach seiner Rückkehr nach Vietnam 1979 kam er allerdings in den frühen 1980ern als Übersetzer für die ersten Vertragsarbeiter in die DDR zurück. Eindrücklich beschrieb er die unterschiedlichen Generationen und Herkunftsorte der Einwanderinnen und Einwanderer. Interessant war auch zu hören, dass insbesondere die erste und zweite Generation vietnamesischer Migrantinnen und Migranten immer noch nicht zueinander findet. Die Teilung von Süd- und Nordvietnam – in Deutschland ausgedrückt durch die Ansiedlung der Vietnamesinnen und Vietnamesen jeweils in Ost- und Westdeutschland – lebt in den Köpfen der Migrantinnen und Migranten weiter und wird erst mit den nachfolgenden Generationen schwächer. Laut Chu Tien Tang ergibt sich hier jedoch mittlerweile eine neue Situation. Während die Kinder der ersten und zweiten Generation sich generell sehr gut in die Schule eingliederten, haben Kinder der derzeitigen Einwanderer große schulische Probleme. Chu Tien Tang führt das darauf zurück, dass ein nicht unerheblicher Teil der neuesten Generation irregulär nach Deutschland eingereist ist – der Druck, die Schulden bei den Schleusern zu begleichen, Geld in die Heimat zu senden und gleichzeitig das Leben in Deutschland zu bestreiten, führe regelmäßig zur Vernachlässigung der Kinder und zu häuslicher Gewalt. Daher sieht er vietnamesische Kinder nicht mehr als „Vorzeigemodelle“ gelungener schulischer Integration.

Im Mauermuseum am Checkpoint Charlie führte Klaus-Günter Jacobi die Gruppe durch die Ausstellung und die Geschichte der deutsch-deutschen Teilung und der Berliner Mauer. Er machte die Teilnehmenden, die sich mit Arbeitsmigration beschäftigt hatte, auf die Besonderheit dieser Grenze innerhalb Deutschlands, innerhalb einer Stadt, aufmerksam, denn hier ging es nicht darum, Menschen von der Einreise, sondern von der Ausreise abzuhalten. Ganz besonders eindrücklich waren seine Schilderungen zu den kreativen Ideen, wie die Mauer zu überwinden sei. So hatte er selbst die Idee, 1963 eine BMW Isetta zum Fluchtfahrzeug umzubauen um einem Freund die Flucht zu ermöglichen, die schließlich auch gelang. Studierende kopierten seine Idee und halfen weiteren 18 Personen bei der Flucht von Ost- nach Westberlin. Für die Seminarteilnehmenden wurde damit die Teilung Deutschlands und Berlins greifbar.

Zum Abschluss feierte die Gruppe einen gemeinsamen Gottesdienst in der Katholischen Akademie Berlin unter Leitung von Pater Christoph WichmannOP, der dankenswerterweise für die verhinderten geistlichen Beiräte des KAAD, P. Prof. Dr. Ulrich Engel OP und P. Prof. Dr. Thomas Eggensperger OP, einsprang und eine wunderschöne Messe feierte, die durch die Gesänge unserer Stipendiatinnen und Stipendiaten ihren krönenden Abschluss fand.

 

Minh Doi Nguyen geht auf die Binnenmigration in Vietnam ein

Kamol Gomes gibt Einblicke über den Kreislauf der Umweltverschmutzung in Bangladesch

Matthew Etabo Edung spricht über die indische Minderheit in Kenia