Fachgruppen

Fachgruppentreffen 2023

Seit der Pandemie hat sich in der Fachgruppe ein online-Austausch etabliert, der sich konkreten Themen widmet. Die Fachgruppentreffen auf der Jahresakademie erfolgen jedoch in Präsenz. Vier unserer StipendiatInnen hielten in einer ersten Runde intensive Kurzvorträge in der sie ihre gegenwärtige Forschungsarbeit und die religiöse Situation in Armenien, Zimbabwe und Indonesien reflektierten und mit den 18 Teilnehmenden diskutierten. Dr. Anselm Feldmann, Leiter des Asienreferats beim KAAD, und Prof. Dr. Esther-Maria Guggenmos, Religionswissenschaftlerin an der Universität Lund, führten zusammen mit unserem ehemaligen Generalsekretär, Dr. Hermann Weber, durch die Gespräche. Im zweiten Teil stellten wir unser gegenwärtiges Publikationsprojekt „Wenn Christen in der Minderheit sind“ vor, an welchem wir im Laufe des Jahres auch durch wiederholte online-Sitzungen gearbeitet hatten. Diese ist mittlerweile zum Manuskript angewachsen und wird im Jahr 2024 zum Abschluss gelangen. Illustriert wurde das Projekt durch einen Beitrag, der die Situation der Christen in Vietnam ins Zentrum stellte. Wir schlossen mit einem Gespräch, welche Themen unsere zukünftigen Arbeiten leiten könnten.

Vier unserer StipendiatInnen boten in einer ersten Runde intensive Kurzvorträge. Zunächst kam das Christentum in Armenien und Zimbabwe zur Sprache. Dann wurden Formen urbaner muslimischer Religiosität und religionspolitische Fragestellungen in Indonesien beleuchtet. Es bildete sich im Gespräch eine besondere Expertise für Indonesien heraus, die aufmerksam nachzeichnete, wie sich muslimische hijrah-Frömmigkeit unter dem Eindruck der Ereignisse am 11. September 2001 in Indonesien verändert. Hieran schloss sich ein lebhaftes Gespräch über religiösen Wandel unter dem Eindruck der Globalisierung an, in welchem diskutiert wurde, ob und wie interreligiöse Vielfalt und die Selbstverständlichkeit des interreligiösen Miteinanders durch Globalisierungsprozesse sich verändern, und inwiefern sich Glaubensformen durch globale Vernetzungen verlaufen, spirituell verdichten, und auch radikalisieren können. Globale Verflechtungszusammenhänge machen auch zunehmend bewusst, wie sehr die Narration eines Säkularisierungsprozesses als einer selbstverständlichen Begleiterscheinung der Moderne einem europäischen Diskurshorizont zuzuordnen ist und in diesem an Relevanz verliert. Stattdessen gewinnt die Reflexion religiösen Wandels in globalen Kontexten Bedeutung. So erinnerte sich eine Teilnehmende, wie ein christliches Gebet in arabischer Sprache im südostasiatischen Kontext unter dortigen Muslimen auf Befremden stieß, auch wenn es für arabische Christen ein alltägliches Gebet darstellt. Im Alltagsglauben kommt es durch globale Vernetzung zu Kontextverschiebungen, die zu Verunsicherungen führen können. Selbstverständlichkeiten werden in Frage gestellt und auch zunächst unbedeutende Einzelereignisse können Resonanz finden, gerade wenn sie identitätsstiftende religiöse Handlungszusammenhänge berühren.

Im zweiten Teil unseres Treffens sprach eine Teilnehmerin des Buchprojekts über die Situation des Christentums in Vietnam, in welchem die Auseinandersetzung mit Formen der Ahnenverehrung nicht nur eine historische Rolle spielt, sondern auch in der Gegenwart neue Wege diskutiert und erprobt werden. So wurde uns die Fragestellung des Buchprojektes noch einmal vor Augen geführt, die sich aus einer Reaktion der StipendiatInnen auf das Thema der Jahresakademie 2022 zum Synodalen Weg ergeben hatte. Hier war der Wunsch entstanden, aus internationaler Perspektive über Eindrücke aus einigen Partnerländern des KAAD den in Deutschland und Europa allgegenwärtigen Marginalisierungsprozess des Christentums zu reflektieren. Christen weltweit sind häufig in der ‚Minderheit‘. Der Minderheitenbegriff ist nicht unproblematisch, und die damit angesprochene gesellschaftliche Position bringt nicht nur Gefahren, sondern eröffnet auch neue Möglichkeiten.

Wir schlossen mit einer offenen Diskussion, die auch die Erfahrungen der Teilnehmenden zu dieser Thematik einschloss und sprachen über Themen, die uns über das Buchprojekt hinaus bewegen können. Hierbei stellte sich heraus, dass insbesondere zwei Themen in Zukunft für die Gruppe interessant sein könnten: Wir informierten uns darüber, wie Religion in den Partnerländern des KAAD an Schulen unterrichtet werden und stellten hierbei fest, dass das Wissen der Teilnehmenden hierüber uns sehr bereicherte. In diesem Kontext diskutierten wir auch die Fragen, inwieweit Religionen heute Werte in der Familie prägen, wie sie vorgelebt und authentisch weitervermittelt werden, und inwieweit überhaupt eine Wertezentrierung im Rahmen religiöser Traditionsweitergabe stattfindet. Darüber hinaus erschien uns ebenfalls vielversprechend, darüber nachzudenken, inwieweit Globalisierungsprozesse auch das Aufleben orthodoxer und stärker auf Frömmigkeit ausgerichteter Bewegungen fördern. Unter dem Eindruck einer stärker digitalen Verflochtenheit und massiver technischer Innovation, schien Religion zur Rückversicherungsressource werden, die ob ihrer Stabilität geschätzt wird, jedoch auch Radikalisierungspotential bietet. Beide Themen werden wir in Zukunft weiterverfolgen.

 

Esther-Maria Guggenmos